Sünde 2 - Beliebigkeit
Dem Partner nichts über sich zu erzählen und ihn über vieles einfach im Unklaren zu lassen, ist sicherlich kein kleines Vergehen. Doch eine viel größere Sünde, ja, eine regelrechte Todsünde ist, in farbigen Details ungefragt von früheren sexuellen Erlebnissen zu erzählen und dabei – bewusst oder unbewusst – Vergleiche mit früheren Partnern herzustellen.
»Auf Dauer störte es mich, einer von vielen zu sein«
Berlin: Frank (35) will nicht mehr mit den Vorgängern seiner Freundin Heike (24) leben.
Ich war eine Woche auf Geschäftsreise in Hamburg. Eines Abends saß ich in der Bar meines Hotels inmitten vieler anderer Gäste. Aber mir fiel sofort eine junge Frau auf, eigentlich mehr Mädchen als Frau, zierlich, blond, mit blauen Augen. Sie sah unglaublich unschuldig aus, fast naiv. Ich suchte immer wieder ihren Blick. Sie wich nicht aus. Im Gegenteil, sie schaute sehr intensiv zurück. Da musste ich an meine Mutter denken, die mir eingehämmert hatte: »Glaub nicht, was viele Männer denken, dass sie die Frauen aussuchen. Es sind die Frauen, die sich ihre Männer aussuchen. Das ist das große Geheimnis. Und wenn dir eine gefällt, die dich ausgesucht hat, dann packe zu. Verschwende deine Kräfte nicht an Frauen, die nichts von dir wollen.«
Ich war unendlich erregt und sie auch
Diese junge Frau zeigte mir deutlich, dass sie Kontakt mit mir wollte. Also war ich am Zug. Ich setzte mich neben sie und bot ihr einen Drink an. Wir tranken zusammen zwei Gläser Weißwein und führten ein kurzes Gespräch. Ich erfuhr, dass sie Heike hieß und aus Hamburg stammte, und ich sagte ihr, dass ich wegen einer Werbekampagne gerade eine Woche in Hamburg sei. Wir erzählten einander ein bisschen über uns. Sie lächelte mich zärtlich an und strich mir immer wieder über den Arm und die Hand. Mir wurde ganz warm. Als wir unseren Wein getrunken hatten, bot ich ihr noch einen Drink an. Sie schaute mich wieder mit einem Lächeln an und sagte: »Hör mal, Frank, ich weiß, was du willst, und du weißt, was ich will. Also verschwenden wir doch nicht unsere Zeit damit, uns hier zu betrinken.« Ich fand das so schön und natürlich, dass ich antwortete: »Du hast recht. Gehen wir auf mein Zimmer.« Sie nahm meine Hand, wir standen auf und gingen zusammen zum Lift. Dort stürzten wir aufeinander zu. Wir küssten uns. Unsere Zungen spielten miteinander. Ich war unendlich erregt und sie auch. Im Zimmer angekommen, sagte sie: »Ziehen wir uns aus und gehen duschen.« Unter der Dusche merkte ich, dass ich die kühle blonde Hamburgerin in der Bar verkehrt eingeschätzt hatte. Wir verteilten gegenseitig den Duschschaum auf unsere Körper, dabei bemerkte ich, wie groß ihre Erfahrung war. Sie machte das so geschickt, als ob sie mich schon ewig kennen würde, zärtlich und leidenschaftlich zugleich. Später im Bett nahm sie meinen Schwanz in den Mund. Und auch hier wusste sie genau, wie sie mich behandeln musste. Es war eine wunderschöne Nacht.
Auch die anderen Nächte, die ich noch in Hamburg war, verbrachten wir zusammen im Hotel. Wir konnten nicht voneinander lassen. Wir fühlten uns wie zwei Magneten, die zueinander hingezogen werden. Am letzten Abend, während wir gerade miteinander schliefen, erzählte sie von einem Mann, mit dem sie in einer besonderen Weise ihren Orgasmus erlebt hatte. Dieser Mann war über eine Stunde in ihr gewesen und hatte sie mit sanften rhythmischen Bewegungen zum Orgasmus gebracht, während sie sich dabei mit den Fingern an der Klitoris in steigende Erregung gerieben hatte. Ich fand das sehr offen und spannend, denn so lernte ich sie doch besser kennen. Und es schmeichelte mir, dass sie offenbar keinerlei Scheu und Scham vor mir empfand.
Wir trieben es auf dem Bett oder auf dem Balkon
Am Ende dieser Woche beschlossen wir einen kurzen gemeinsamen Urlaub. Wir wollten auf die Kanarischen Inseln fliegen. Sie erzählte mir von einem wunderschönen Hotel auf Gran Canaria. Da sie den Hoteldirektor kannte, würde er uns einen guten Preis machen.
Das war also beschlossene Sache. Auf dem ganzen Flug waren wir so zärtlich miteinander, dass wir beinahe die Aufmerksamkeit der anderen Gäste erregt hätten. Der Direktor des Hotels holte uns am Flughafen von Gran Canaria ab. Die Begrüßung zwischen Heike und ihm war so feurig, dass mir sofort klar war: »Da ist ein früherer Liebhaber im Spiel.« Heike spürte mein Unbehagen und versicherte mir abends auf dem Balkon unseres kleinen Appartements, dass ich mir keine Sorgen machen müsse. Sie sei jetzt mit mir zusammen, und alle anderen Männer würden in ihrem Leben keine Rolle mehr spielen.
In dieser Situation fiel mir ein Erlebnis mit einer früheren Freundin ein. Wir waren im Bett gelegen, und ich hatte ganz nebenbei den Namen einer Verflossenen erwähnt. Die ganze Nacht hatte ich darunter zu leiden, weil die Freundin neben mir damals der Meinung war, ich würde sie in Gedanken betrügen. Ich würde an andere Frauen denken, während ich Sex mit ihr hatte – ich konnte sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Aber ich wusste eines genau: Ich selbst wollte niemals so absurd reagieren. Es ist nun mal so, dass zwei Menschen schon eine Vorgeschichte haben, wenn sie sich treffen. Auch Heike hatte ihre Vorgeschichte, ebenso wie ich. Der einzige Unterschied zwischen uns war, dass ich nicht gerne darüber sprechen wollte, was ich früher erlebt hatte.
Heike war anders. Für sie war Sex eine Art endloses Spiel. Mit verschiedenen Partnern und verschiedenen Situationen. Sie benahm sich in dieser Zeit wie ein Kind, das mir einfach alles erzählen wollte. Wie sie das erlebt hatte. Mit wem sie es erlebt hatte. Wie die großen Momente in ihrem Leben waren. Auch auf Gran Canaria fand ich das anfangs noch spannend. Und wenn irgendwelche negativen Gefühle aufkamen, wischte ich sie weg. Denn sie begeisterte mich immer wieder. Zum Beispiel wenn sie mittags in ihrem winzigen Bikini am Strand saß, plötzlich nach meiner Hand griff, mich hochzog und sagte: »Jetzt muss es sein.« Dann stürmten wir in unser Appartement und trieben es auf dem Bett oder auf dem Balkon.
Nach zwei Jahren ließ ich die Geschichte einschlafen
Heike und ich verlebten zwei wunderbare Jahre, in denen sie mir aber immer wieder und immer mehr von früheren Erlebnissen erzählte. Nach einer anfänglichen Zeit sehr befriedigender Sexualität verstärkte sich deswegen mein Gefühl, auf einer Art Prüfstand zu stehen. War ich so gut wie der frühere Liebhaber, der sie immer mit der Zunge zum Orgasmus gebracht hatte? War ich so fantasiereich wie der Mann, der extra sein Bett hatte erhöhen lassen, damit er leichter von hinten in sie eindringen konnte? War ich besser oder schlechter als jener Schlagersänger, der sie entjungfert hatte? Auch diese Geschichte hat mir Heike sehr fröhlich und offen erzählt: Sie hatte sich als 15-Jährige in einen sehr berühmten, älteren Sänger verliebt, der auch Gefallen an ihr gefunden hatte. Doch während sie damals noch gar nicht so sehr an Sex dachte, wollte er sie im Bett haben. Und das geschah eines Abends in einem Hotelzimmer. Sie wusste noch überhaupt nicht, was sie damit anfangen sollte. Der Mann war sehr zärtlich und lieb, aber ihr dauerte es viel zu lange. Und nachdem er eine halbe Stunde in ihr gewesen war, hatte sie zu ihm gesagt: »Mach jetzt mal Schluss, es ist genug.« Jedes Mal, wenn ich diesen Sänger im Radio hörte oder im Fernsehen sah, musste ich an Heikes Entjungferung denken. Das alles zusammen wurde mir mit der Zeit ein bisschen zu viel.
Vor allem wusste ich zum Schluss nicht mehr, von wem sie gerade sprach und in welcher Zeit etwas gespielt hatte. Auch war ich mir nicht sicher, ob der eine oder andere Liebhaber nicht doch wieder reaktiviert wurde. Ich wusste, es war meine Schuld. Ich hatte die Tore für ihre Erzählungen geöffnet, weil ich ihr nie gesagt hatte, dass ich das alles gar nicht so genau wissen wollte. Und ich glaube, sie hat nicht verstanden, dass es mich auf Dauer störte, nur einer von vielen zu sein. Nach zwei Jahren ließ ich unsere Geschichte einschlafen. Ich machte darum keinen großen Wirbel. Ich hatte damals beruflich sehr viel zu tun und musste viel reisen. Und wenn Heike mich in Berlin besuchen wollte, war ich einfach gerade beschäftigt. Schließlich merkte auch sie, dass unsere Zeit vorbei war.
Oswalt Kolle ganz persönlich
»Niemand sollte den Partner dauernd auf den Prüfstand stellen«
Eines habe ich aus dieser Geschichte wieder gelernt: Menschen sollten einander nicht zu viel von früheren Erlebnissen erzählen. Auf jeden Fall keine Einzelheiten aus dem Bett.
Es kann reizvoll sein, mit einem neuen Partner über einzelne Geschichten aus der Vergangenheit zu sprechen. Das kann Vertrauen schaffen. Wenn eine Frau beispielsweise ihrem neuen Freund berichtet, wie mühsam sie ihr Vertrauen in Männer zurückgewinnen konnte, nachdem sie als unerfahrenes Mädchen mit dem Handy beim Sex gefilmt und ins Internet gestellt wurde. Oder von einem anderen Mann, der immer zu schnell zum Orgasmus kam, weshalb sie mit ihm meistens unbefriedigt blieb. Aber niemand sollte von besonders schönen und befriedigenden Augenblicken berichten. Denn der neue Partner könnte dies als Kritik an seinem Sexualverhalten deuten. Man muss schon ein sehr starkes Selbstbewusstsein haben, um solche Vergleiche ertragen zu können. Wahrscheinlich aber wird sich ein neuer Partner wie auf dem Prüfstand fühlen und befürchten, dass er (oder sie) sowieso nie das Niveau der Vorgänger erreichen kann. Zudem drängt sich die Frage auf, ob die früheren Partner vielleicht nicht nur in der Erinnerung herumgeistern, sondern tatsächlich wieder aktiviert wurden. Hier ist also wirklich Vorsicht geboten. Das gilt ganz besonders für ältere Paare, wenn der frühere langjährige Ehepartner vielleicht verstorben ist oder sich getrennt hat, aber immer noch präsent ist. Mit meiner Freundin José, in der ich zwei Jahre nach dem Tod meiner Ehefrau Marlies eine neue Liebe fand und die ebenfalls ihren Ehepartner verloren hatte, handhabe ich es so: »Wir stehen zu unseren verstorbenen Partnern, aber diese stehen nicht zwischen uns.« Und dieses Prinzip kann ich eigentlich jedem nur empfehlen.
Was hat unser Selbstwertgefühl mit gutem Sex zu tun?
Die Geschichte von Frank lässt sich unter dem Aspekt des Selbstwertgefühls betrachten. Das Selbstwertgefühl einer Person ist die Einschätzung ihres eigenen Werts. Der Begriff ist allerdings irreführend, weil es sich dabei nicht um ein Gefühl im engeren Sinne handelt, sondern um die Bewertung unseres Selbstbildes, also des Bildes, das wir uns selbst von uns machen. Je positiver wir unser Selbstbild bewerten, desto höher ist unser Selbstwert. Insofern hat dieser Begriff auch etwas mit Selbstachtung und Selbstvertrauen zu tun.
Die frühe Kindheit ist entscheidend
Das Selbstwertgefühl resultiert aus dem Vergleich der eigenen Fähigkeiten mit den Anforderungen, die an uns gestellt werden. Wenn man dann zum Beispiel zu dem Schluss kommt, eine schwierige unbekannte Situation gut meistern zu können, hat man ein hohes Selbstwertgefühl. Trauen wir uns die Aufgabe dagegen nicht zu, ist unser Selbstwertgefühl niedrig. Natürlich kann es hier zu Fehleinschätzungen kommen, das heißt, jemand kann seine Leistungsfähigkeit unter- oder überschätzen.
Wie aber kommt ein Selbstwertgefühl zustande? Das beschreibt zum Beispiel die Psychologin Ursula Nuber: Demnach hängt ein starkes Selbst zum Teil von den genetischen Anlagen ab. In hohem Maße ist aber auch das Erziehungsverhalten der Eltern entscheidend. Ein Kind wächst dann zu einem selbstsicheren Menschen heran, wenn seine Eltern es ohne Bedingungen lieben. Außerdem sollten die Eltern dem Kind helfen, sich selbst realistisch einzuschätzen, sie dürfen es also weder andauernd kritisieren noch es andauernd loben. Und schließlich müssen Eltern dem Kind stabile Werte vermitteln und ihm helfen, zwischen Richtig und Falsch, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Werden Kinder hingegen in der frühen Kindheit vernachlässigt, können sie kein Urvertrauen ausbilden (siehe auch Kapitel 7) und kein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln. Das hat beispielsweise schon 1945 der österreichisch-amerikanische Säuglingsforscher René Spitz bei Heimkindern beobachten können.
Die Rolle der individuellen Werte und eigenen Maßstäbe
Ein Selbstwertgefühl muss man auch pflegen, damit es erhalten bleibt. Dies schließt viele Komponenten ein: persönliche Erinnerungen, Annahmen über die eigenen Fähigkeiten, die Vorstellung davon, wie man idealerweise gerne sein möchte, und auch unsere Vorstellung davon, wie andere uns sehen. So stabilisieren wir unser Selbstwertgefühl zum Beispiel dadurch, dass wir uns immer wieder an unsere erfolgreichen Aktionen erinnern und an positive Erlebnisse, zu denen wir selbst beigetragen haben. Damit vergewissern wir uns, dass wir viele Dinge wirklich können, und versichern uns immer aufs Neue unserer eigenen Fähigkeiten.
Bei den oben genannten Komponenten spielen die eigenen individuellen Werte eine große Rolle. Wenn man viel Wert auf sein Äußeres legt, ist entscheidend, wie man sich kleidet. Wer Autos und Smartphones wertschätzt, für dessen Selbstwert mag es eine Rolle spielen, welches Modell er sich leisten kann. Anderen Menschen ist es wichtig, wie gut sie eine sich selbst auferlegte Arbeit bewältigen oder welche Leute aus welchen Kreisen sie kennen. Dabei ist der eigene Maßstab entscheidend. Eine Sängerin wird sich an der Sangeskunst anderer messen, und es wird ihr wichtig sein, auf welchen Bühnen sie auftritt. Ein Wissenschaftler wird Wert darauf legen, seine Ergebnisse in bestimmten Fachpublikationen zu veröffentlichen, und ein Auge darauf haben, wie oft ihn Kollegen in ihren eigenen Arbeiten zitieren. Und nicht nur für Jugendliche stellt heutzutage die Anzahl der Freunde einen hohen individuellen Wert dar. Deswegen werden in elektronischen Netzwerken, wie Facebook oder Xing, unsere Kontakte für jeden sichtbar aufgelistet. Auch das dient der Bestätigung unserer selbst.
Die sexuelle Zufriedenheit ist ebenfalls ein Baustein, der auf das Selbstwertgefühl einwirkt. Wenn man aber dauernd den Vergleich mit anderen bestehen muss, macht dies unsicher und kann somit das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen. Denn das Selbstwertgefühl kann im Laufe des Lebens auch wieder zerstört werden, zum Beispiel durch entwürdigende Erlebnisse und/oder Gewalterfahrungen.
Wichtig ist die Selbstbestätigung des eigenen Lebenskonzeptes
Frank in unserer Geschichte leidet darunter, dass seine eigene Intimsphäre andauernd verletzt wird, weil immer auch andere Männer eine Rolle darin spielen. Und wahrscheinlich wird Frank auch befürchten, dass Heike ihre Erlebnisse mit ihm ebenso nach außen trägt, wie sie es auch mit den anderen Männergeschichten macht. Auch wenn wir nicht wissen, ob sich Heike tatsächlich nebenbei auch noch mit anderen vergnügt hat, so reicht es doch, dass sie verbal diese anderen Partner ins Bett holte und sie damit auf eine Stufe mit dem Mann stellte, der gerade in dieser Hinsicht die wichtigste Rolle spielen wollte. Heikes Verhalten stellt einen unmittelbaren Angriff auf das Selbstwertgefühl ihres Partners dar – ganz egal, ob dieser bislang ein hohes Selbstwertgefühl besaß oder ein niedriges.
In diesem Zusammenhang ist das folgende Experiment interessant. Der Forscher William B. Swann wählte nach dem Zufallsprinzip verschiedene Ehepaare aus. Jede Person, also Ehemänner und Ehefrauen, wurde gebeten, sich selbst und den jeweiligen Partner hinsichtlich der intellektuellen Fähigkeiten und der körperlichen Attraktivität einzuschätzen. Danach sollten die Testpersonen ein Urteil darüber abgeben, wie zufrieden sie in ihrer Ehe sind. Es ergab sich: Wenn sich Eigenbild (wie man sich selbst findet) und Fremdbild (wie der Partner einen einschätzt) glichen, war der- oder diejenige zufrieden. Wenn Eigenbild und Fremdbild stark voneinander abwichen, entstand Unzufriedenheit. Wenn wir also ein hohes Selbstwertgefühl haben, sind wir glücklich in der Partnerschaft, wenn der Partner auch eine hohe Meinung von uns hat. Es gilt aber auch: Wer ein geringes Selbstwertgefühl besitzt, ist zufrieden, wenn der Partner diese Einschätzung bestätigt. Unglücklich ist hingegen, wer ein hohes Selbstwertgefühl besitzt und vom Partner als »minderwertig« eingestuft wird. Und genauso, wer ein niedriges Selbstwertgefühl besitzt und vom Partner als sehr positiv eingeschätzt wird. Dieses Experiment von William B. Swann zeigt: Den Menschen ist die Selbstbestätigung ihres jeweiligen Lebenskonzeptes wichtiger als die Einschätzung anderer hinsichtlich ihrer intellektuellen Fähigkeiten und ihrer körperlichen Attraktivität.
Frank besitzt jedenfalls ein hohes Selbstwertgefühl: In seiner Geschichte ist nicht der mindeste Zweifel daran zu spüren, dass diese hübsche und deutlich jüngere Frau an ihm Interesse hat. Und auch sein Leitsatz spricht dafür: »Es sind die Frauen, die sich ihre Männer aussuchen. Das ist das große Geheimnis. Und wenn dir eine gefällt, die dich ausgesucht hat, dann packe zu. Verschwende deine Kräfte nicht an Frauen, die nichts von dir wollen.« Der Mann weiß, was er will und was er kann. Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl wären in einer solchen Situation unsicher. Aber Frank strotzt ganz offensichtlich vor Selbstsicherheit.
Die Strategie der Selbstbenachteiligung
In der Psychologie heißt es: Wer selbstsicher ist, strebt danach, seinen Selbstwert weiter zu erhöhen. Wer selbstunsicher ist, wird geschickt den Situationen ausweichen, die seinen Selbstwert auf die Probe stellen könnten. Bei Letzteren kommt oft ein sehr raffinierter Selbstschutzmechanismus zum Einsatz. Er wird als »Strategie der Selbstbenachteiligung« bezeichnet und funktioniert wie folgt: Wer daran zweifelt, eine bestimmte Aufgabe bewältigen zu können, verhält sich implizit so, dass er sich selbst benachteiligt und seine Leistungsfähigkeit sabotiert. Das heißt, wer eine wichtige Prüfung absolvieren will, aber daran zweifelt, dass er sie schafft, könnte sich Gründe überlegen, warum er sie gar nicht schaffen kann – zum Beispiel, weil er sich viel zu viel um die kranke Schwester oder die unglückliche Arbeitskollegin kümmern muss und daher kaum noch Zeit zum Lernen hat. Ein anderes Beispiel: Wer sich selbst als unattraktiv einschätzt und der Meinung ist, dass sich sowieso niemals ein richtig toller Partner für ihn oder sie interessieren wird, könnte sich total mit Arbeit zuschütten und seine Freizeit auf null reduzieren. Dann kann der- oder diejenige mit gutem Recht sagen: »Ich habe ja gar keine Zeit, jemanden kennenzulernen und mit ihm vertraut zu werden. Deswegen bin ich allein, und das ist auch gut so, denn ich habe so viel zu tun.«
Diese Begründungen mögen manchmal stimmen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die betreffende Person in Wahrheit aufgrund eines geringen Selbstwertgefühls allen Situationen aus dem Weg geht, in denen potenzielle Partner überhaupt nur in die Nähe kommen – und damit praktischerweise auch einem befürchteten Frustrationserlebnis vorbeugt.
Menschen, die so handeln, können sich sehr gut selbst etwas vormachen. Das ermöglicht es ihnen, ohne größere Gewissenskonflikte den Alltag zu bestehen. Allerdings entgeht ihnen mit dieser Form des Selbstbetrugs die Chance, herauszufinden, ob sie wirklich so unattraktiv sind, wie sie glauben zu sein. Die »Selbstbenachteiligung« liegt also darin, dass die selbstunsichere Person gar nicht erst versucht, sich einen hochfliegenden Wunsch zu erfüllen, sondern sich von vorneherein in eine Lage hineinmanövriert, in der ein Versuch gar nicht erst durchführbar ist.
Im Allgemeinen dauert ein Rausch des Verliebtseins zwei Jahre. In dieser Zeit haben die beiden Partner die Gelegenheit, ihre Beziehung zu festigen. Bei Frank und Heike hat das nicht geklappt, ihre beiden Beziehungsjahre wurden – zumindest von Heikes Seite – zur Verunsicherung und nicht zur Festigung benutzt. So sah Frank keine Veranlassung mehr, noch etwas für die Beziehung zu tun, als er die rosarote Brille wieder abgenommen hatte. Jetzt war er wieder fähig zu bilanzieren und konnte vernunftgemäß entscheiden, dass er nicht bei einer Frau bleiben möchte, die permanent sein Selbstwertgefühl angreift.
Der heiße Tipp
Wie Sie Ihrem Partner das Gefühl geben, einzigartig zu sein
Zeigen Sie Ihrem Partner immer wieder deutlich, dass er unabhängig von früheren Erlebnissen jetzt und in Zukunft im Mittelpunkt Ihrer Gefühle steht. Geben Sie ihm die Sicherheit, dass er in seinem Wesen einzigartig ist und Ihnen all das gibt, was Sie brauchen. Scheuen Sie sich nicht, ihrem Partner zu sagen, welche seiner Eigenschaften Ihnen besonders gut gefallen. Er oder sie wird sich auch darüber freuen, in einem Brief davon zu lesen. So wird deutlich, dass Sie Ihren Partner schätzen, aber auch, dass Sie ihn sehr gut kennen und nicht nur oberflächlich betrachten. Und welcher Menschen möchte nicht genau erkannt werden?
Sagen Sie Ihrem Partner auch konkret, was Ihnen beim Sex mit ihm (oder ihr) gut gefällt. Geben Sie sich die Mühe, etwas zu sagen, was Sie wirklich empfinden. Zum Beispiel: »Du bist schön in deiner Lust, wenn du zum Höhepunkt kommst.« Oder: »Ich liebe es, wenn dein Schwanz in meiner Hand wächst, es macht mich an, weil ich merke, dass es dir auch gefällt.« Oder: »Ich nehme dich gerne von hinten, weil ich dabei deinen prachtvollen Po sehen kann.« Oder: »Wenn ich deine Hand sehe, muss ich mir immer vorstellen, wie geschickt du damit an meinem Kitzler reibst; bei der Vorstellung werde ich sofort wieder feucht.« Sie verstehen uns sicher!
Und auch wenn wir uns jetzt wiederholen: Berichten Sie Ihrem aktuellen Partner nicht in leuchtenden Farben vom Sex mit einem oder einer Verflossenen. Das untergräbt das Selbstwertgefühl und stört die Intimität. Wenn der Sex mit Ihrem neuen Partner nicht so gut sein sollte wie mit dem alten, dann überlegen Sie sich, was Sie wie ändern könnten. Nehmen Sie Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus früheren Zeiten als Anreiz, etwas zu verbessern – aber behalten Sie die Quelle für sich!
Es gibt natürlich immer sehr selbstunsichere Menschen, denen man nicht vermitteln kann, dass man sich in sie verliebt hat, denn sie sind nach dem Motto in der Welt unterwegs: Einer Person, die mich liebenswert findet, kann ich sowieso nicht glauben. Das sind Männer und Frauen, deren Selbstwertgefühl extrem niedrig ist, und hier stoßen Sie mit den genannten Tipps möglicherweise an unüberwindbare Grenzen. Aber Sie sollten trotzdem versuchen, Ihren Partner in seinem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu stärken. Denn da der Ausgang immer unbekannt ist, sind in einer Liebesbeziehung die ersten Schritte, etwas zum Guten zu verändern, auf jeden Fall den Versuch wert.